Geschichtensammler

Herzlich willkommen beim Schülerprojekt Geschichtensammler!

Dieses Projekt bietet Schülerinnen und Schülern die spannende Möglichkeit, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungsarbeit zu leisten.

Die Geschichtensammler haben das Ziel, Erinnerungen an den 2. Weltkrieg und an die Nachkriegszeit zu sammeln, zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren. Es fördert das Verständnis für historische und persönliche Zusammenhänge und stärkt die Verbindung zur eigenen Geschichte sowie zu Mitmenschen aller Herkunften, Kulturen oder Glaubensrichtungen.

Das Projekt wird so zu einem lebendigen Werkzeug, das dazu beiträgt, die demokratischen Grundwerte zu stärken und ein starkes, weltoffenes Miteinander zu fördern. Es zeigt, dass jede Geschichte – ob groß oder klein – einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung unserer Gesellschaft leisten kann, um die Zukunft der Jugendlichen zu sichern.


HISTORISCHER HINTERGRUND: Die LiO als Durchgangslager 1942-43

Ein besonders bedeutsamer Aspekt des Projekts ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Justus-Liebig-Schule (LiO) während des Zweiten Weltkriegs. In den Jahren 1942 bis 1943 wurde die LiO als Durchgangslager genutzt.

Während dieser Zeit dienten die Räumlichkeiten unserer Schule als Zwischenstation für ca. 3600 Jüdinnen und Juden aus Hessen und Rheinhessen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und später deportiert wurden.  Die Justus-Liebig-Schule, damals Liebig-Oberrealschule, war also nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch Schauplatz eines düsteren Kapitels deutscher Geschichte.

Nach der berüchtigten Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, auf der die "Endlösung der Judenfrage" – die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas – beschlossen wurde, begannen die National-Sozialisten, die Deportationen von Juden verstärkt durchzuführen. Auch in Darmstadt, das damals Hauptstadt des Volksstaates Hessen war, wurden diese Maßnahmen rasch umgesetzt.

Der damalige Leiter der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Darmstadt, Dr. Pifrader, spielte eine entscheidende Rolle bei der Organisation der Deportationen. In seinem Verantwortungsbereich lag die „Lösung der Judenfrage“ im Volksstaat Hessen. Unter seiner Leitung wurde die sogenannte „Judenevakuierung ins Generalgouvernement“ (das von Deutschland besetzte Polen) durchgeführt.

Am 18. März 1942 veröffentlichte die Gestapo in Darmstadt einen geheimen Abschiebungsbefehl. Dieser Befehl bildete die Grundlage für die bevorstehenden Deportationen. Nur zwei Tage später, am 20. März 1942, wurde der erste Transport von jüdischen Bürgern aus Darmstadt nach Lublin durchgeführt. Von dort wurden die Menschen in verschiedene Konzentrationslager weitergeleitet.

Die Betroffenen wurden zuerst in der Liebig-Oberreal-Schule, die LIO, eingesperrt, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten wurden. Viele von ihnen waren Familien, die ihre Wohnungen verlassen mussten und nur das Nötigste mitnehmen durften. In den überfüllten Schulräumen warteten sie auf ihre Deportation, ohne zu wissen, was sie erwarten würde.

Die Menschen mussten von dort aus den Weg zum Darmstädter Güterbahnhof zu Fuß zurücklegen. Unter Bewachung liefen sie vom geschlossenen Schulgebäude bis zum Bahnhof, wo sie in Viehwagen verladen wurden. Diese Transporte führten die Menschen in die Konzentrationslager in Osteuropa, wo viele von ihnen ermordet wurden.

Folgende Transporte, die von der LiO ausgingen, führten Menschen in die Vernichtungslager:

20. März 1942: Der erste Zug fuhr erst nach Lublin. Von dort aus wurden ca. 1000 Menschen in verschiedene Konzentrations- und Vernichtungslager wie Auschwitz weiterverteilt.

27. September 1942: 1288 Menschen wurden nach Theresienstadt ins Ghetto vertrieben.

30. September 1942: 883 Personen wurden nach unterschiedlichen KZ im Generalgouvernement, heute Polen, deportiert.

10. Februar 1943: fast 600 Personen, vor allem Kranken und älteren Menschen, die bis jetzt im jüdischen Altersheim in der Escholbrückerstr. untergebracht waren, wurden aufgrund einer „Wohnsitzversiedlung“ nach Theresienstadt abtransportiert.

Quellen:

Heß, R., Nichtweiss, I., Zahedi, I., „Juden-Deportation aus Darmstadt 1942-43“, Stadt Darmstadt, 1992

Initiative „Gedenkort Güterbahnhof Darmstadt“/ Dreesen, R., Jetter, C., „Die Deportationslisten. Denkzeichen Güterbahnhof“, 2011)

Diese historische Verbindung macht das Projekt nicht nur zu einem Beitrag gegen das Vergessen, sondern auch zu einem Werkzeug im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus – an einem Ort, der selbst Teil dieser Geschichte war und trägt aktiv dazu bei, das historische Bewusstsein der Schüler zu schärfen und die Bedeutung von Erinnerungskultur im schulischen und gesellschaftlichen Kontext zu unterstreichen.

Erinnern und Gedenken: Indem wir uns mit der Geschichte der eigenen Schule auseinandersetzen, tragen wir dazu bei, die Erinnerung an die Opfer von Rassismus und Antisemitismus wachzuhalten. Das Wissen um die Rolle der LIO in dieser Zeit soll uns daran erinnern, wie wichtig es ist, für Toleranz, Menschenrechte und Demokratie einzutreten.

Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart: Die Geschichte der LIO als Durchgangslager verleiht dem Projekt eine zusätzliche Bedeutung. Durch das Sammeln von Geschichten, besonders aus dieser Zeit, könnt ihr dazu beitragen, das Bewusstsein für die Schrecken der Vergangenheit zu schärfen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.

 

UNSERE AKTIVITÄTEN

Treffen mit Zeitzeugen

Ein besonderes Highlight des Geschichtensammler-Projekts ist die Möglichkeit, Zeitzeugen oder Z(w)eitzeugen (z.B. Ihre Kinder) persönlich zu treffen und ihre Geschichten aus erster Hand zu erfahren. Diese Begegnungen bieten die einmalige Gelegenheit, von Menschen zu hören, die wichtige historische Ereignisse miterlebt haben – seien es Kriegszeiten, Nachkriegsjahre, Migrationsgeschichten oder auch kleinere, lokal bedeutende Begebenheiten.

Solche Zeitzeugengespräche sind nicht nur eine wertvolle Quelle für das Sammeln von Geschichten, sondern auch eine Chance, Geschichte lebendig zu erleben und die Bedeutung von persönlichen Erfahrungen zu verstehen.

Veröffentlichung eines Buches

Ein weiteres großes Ziel des Projekts ist die Veröffentlichung des Buches „Die letzten Zeugen“ mit dem Verlag OREP, das die gesammelten Aussagen zusammenführt, u.a. von Überlenden des Holocausts, lokale Zeitzeugen, die als Soldaten oder Kinder, Krieg erlebt haben, sowie Veteranen aus Großbritannien, USA oder Kanada und französische Zivilisten.

Dieses Buch wird eine Sammlung von Erzählungen und Bildern darstellen, die ihr als Schüler*innen gemeinsam erstellt habt.

Events und Veranstaltungen

Wir bieten nicht nur die Möglichkeit, Geschichten zu sammeln, sondern auch viele weitere Aktivitäten an:

Veranstaltungen: Gedenkveranstaltungen, Stolperstein-Verlegungen,

Führungen (Synagoge, Gedenkstätten, Museen), Filme, Theaterstücke, Konferenzen oder Lesungen, die zur Erinnerungsarbeit beitragen ;

Organisation der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Deportation aus der LiO für die Schulgemeinde und Gäste ;

Workshops und Seminare zu Sonderthemen ;

Projektwochen ;

Austausch mit anderen Schulen in Darmstadt und Europa.

Partnerschaft mit dem Lycée Senghor aus Évreux

Im Rahmen des Geschichtensammler-Projekts wird eine Partnerschaft mit dem Lycée Senghor aus Évreux (Frankreich) gepflegt. 15 deutsche und 15 französische Schülerinnen und Schüler arbeiten gemeinsam daran, Geschichten zu sammeln und auszutauschen, die das Projekt bereichern und den interkulturellen Dialog fördern.

 

Ein besonderer Höhepunkt dieser Partnerschaft sind die zwei Reisen, die von der deutsch-französischen Gruppe unternommen werden.

Im Schuljahr 2024-2025:

29.Nov.-05.Dez. 2024: Darmstadt, Berlin, KZ Ravensbrück (Deutschland)

16.-23. Mai 2025: Évreux, Paris, Mémorial de Caen und D-Day-Strände (Frankreich)

Diese zwei Reisen machen das Projekt zu einem europäischen Lernabenteuer, bei dem die Teilnehmer gemeinsam aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere und tolerantere Zukunft zu gestalten.

Die internationale Zusammenarbeit und die zwei Reisen im Rahmen des Projekts bieten eine einmalige Gelegenheit, Geschichte hautnah zu erleben und sich für gemeinsame demokratische Werte einzusetzen.

Der Austausch wird durch das Programm Erasmus+ Schule der Europäischen Union finanziert.

Zweck des Projekts: Gegen Rassismus und Antisemitismus – Für eine starke Demokratie

Das Projekt verfolgt nicht nur das Ziel, Geschichten zu bewahren, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Toleranz, Demokratie und dem friedlichen Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Durch das Erzählen und Dokumentieren von Geschichten wollen wir Vorurteile abbauen und ein Bewusstsein für die Fehler und Lektionen der Vergangenheit schaffen.

Warum ist das wichtig?

Gegen Rassismus und Antisemitismus: Indem ihr die Geschichten von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen sammelt, wird deutlich, wie wichtig es ist, Vielfalt zu schätzen und gegen jede Form von Diskriminierung anzukämpfen. Viele Zeitzeugen berichten von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der Verfolgung von Minderheiten und den Auswirkungen von Rassismus und Antisemitismus. Diese Erzählungen erinnern uns daran, dass solche Vorfälle nie wieder passieren dürfen. NIE WIEDER.

Stärkung der Demokratie: Demokratie lebt von Respekt, Dialog und dem Verständnis füreinander. Durch das Teilen von persönlichen Geschichten fördern wir den Austausch zwischen Generationen, Kulturen und sozialen Gruppen. Ihr lernt, die Bedeutung von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu schätzen und wie wichtig es ist, für diese Werte einzustehen.

Bildung gegen Vorurteile: Geschichten helfen uns, aus der Vergangenheit zu lernen und die Perspektiven anderer zu verstehen. Wenn wir erfahren, wie Menschen in der Vergangenheit Ungerechtigkeiten erlebt und überwunden haben, stärkt das unser Bewusstsein für aktuelle Herausforderungen.

Das Projekt soll dabei helfen, eine Gesellschaft zu fördern, die auf Mitgefühl, Respekt und Offenheit basiert und in der Rassismus, Antisemitismus und jegliche Form von Intoleranz keinen Platz haben.

Wer kann mitmachen?

Alle Schülerinnen und Schüler, die Interesse daran haben, Geschichten zu entdecken und zu bewahren, sind herzlich eingeladen mitzumachen!

Die Reisen sind für Schülerinnen und Schüler erst ab der 10. Klasse: Unsere Partnerschule in Frankreich ist eine Oberstufenschule.

Warum mitmachen?

Geschichtsbewusstsein stärken: Ihr erfahrt mehr über die Geschichte eurer Umgebung und lernt, wie persönliche Erlebnisse die Vergangenheit lebendig machen.

Soziale Kompetenzen entwickeln: Ihr kommt mit unterschiedlichen Generationen ins Gespräch und stärkt euer Einfühlungsvermögen und eure Kommunikationsfähigkeiten.

International vernetzen: Ihr trefft Schülerinnen und Schüler aus europäischen Ländern, die sich für Erinnerungsarbeit einsetzen.

(Fremd-)Sprach- und Schreibfähigkeiten verbessern.

Förderung und Kooperationen

Das Geschichtensammler-Projekt wird durch die Unterstützung mehrerer Organisationen und Förderprogramme ermöglicht, die sich für Bildung, Kultur und den interkulturellen Austausch einsetzen. Diese Förderungen helfen uns, die verschiedenen Veranstaltungen, Materialien und die Veröffentlichung des Buches zu realisieren. Dank dieser vielfältigen Unterstützung können wir das Projekt erfolgreich umsetzen und nachhaltig gestalten.

Wir sind stolz darauf, mit starken Partnern zusammenzuarbeiten, die sich für Bildung, Demokratie und interkulturellen Austausch einsetzen:

Erasmus+ Schule (Förderprogramm der Europäische Union)

https://erasmusplus.schule/

 

Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW)

https://www.dfjw.org/

 

Förderverein der LIO

Spenden Sie gerne, um uns zu unterstützen! ;)

https://lio-foerderverein.de/

 

Bürgerstiftung Darmstadt

https://buergerstiftung-darmstadt.de/

 

Jüdische Gemeinde Darmstadt

https://jg-darmstadt.de/

 

Stolpersteine e.V. Darmstadt

https://www.stolpersteine.eu/

 

Haus der Geschichte / Stadtarchive Darmstadt

http://www.haus-der-geschichte.com/

 

Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt

https://www.bs-anne-frank.de/

 

MACHT MIT! Wir freuen uns auf eure Mitarbeit!

 

 

Kontaktinfo

Falls ihr Fragen habt oder weitere Informationen benötigt, wendet euch an *Frau Mathieu* oder schreibt eine E-Mail an: mat(at)lio-darmstadt.de